Mittwoch, 15. Juni 2011

Olfaktorik

Jeden Freitag machen wir unseren großen Wocheneinkauf. Dazu bewegen wir uns in ein großes Einkaufszentrum am Rande Berlins, welches zudem noch an Hellesdorf grenzt. Ich überlege noch, warum dieser Einkauf unbedingt immer an einem Freitag stattfinden muss. Aber es hat sich einmal so eingespielt.
Es ist jedesmal ein besonderes Erlebnis. Wer ein wenig Interesse an Soziologie hat, wird dort am richtigen Platz sein. Hunderte von Toastbrot und Cola aufgeschwemmten Menschen schieben sich durch dieses Einkaufszentrum. Armut oder Geldmangel ist dort nicht anzutreffen. Einkaufswagen quellen mit Tiefkühlkost, Limonaden die nur aus Zucker bestehen, Toastbroten und Süßigkeiten über. Lärmende, unbeaufsichtigte Kinder in Pink spielen Verstecken. Entnervte Eltern rufen ab und zu nach ihren Zöglingen. "Ey, willste endlich ma hörn tun? Sonst jibts nischt ßu Naschen!" Andere bleiben immer mal plötzlich mitten im Fluss stehen, versuchen sich zu erinnern, was noch fehlt, ehe sie ihren Einkaufszettel hervorkramen und versuchen, das zu entziffern, was man eine Woche lang auf zahlreichen Schmierzetteln gesammelt hat. Endlich entziffert, wird der Wagen herumgerissen und gegen den Strom bugsiert. Nachdem alle alles haben, beginnt ungefähr 20 Meter vor den Kassen, ein Wagenrennen, bei dem Ben Hur noch was hätte lernen können. Ungeahnte Kräfte bei vorher noch Lahmen und Scheintoten werden frei.
Aber das ist nicht das Schlimmste.
Wenn sich Projektionen über die Stria medialis zum Tuberculum olfactorium und weiter zum Septum bilden, ist alles zu spät. Dieser Schaltkreis ist für die Vermittlung des Gefühls zuständig, das wir empfinden, wenn wir einen Duft riechen. Wobei das Wort "Duft" hier nicht ganz so passt. Schlagartig fühlt man sich in die Nähe einer Sickergrube oder eines Rieselfeldes versetzt. Bei der Verbindung vom Bulbus olfactorius über die Stria lateralis kommt es zu einer Verbindung mit der Amygdala, dem lateralen Hypothalamus, anschließend dem basalen Vorderhirn und dem orbitofrontalen Cortex. Diese Verbindung ist die emotionale Komponente der olfaktorischen Wahrnehmung, der Geruchswahrnehmung. Welche "Emotionen" und "Gefühle" einem da kommen, kann man sich vorstellen. In einem Pumakäfig erwartet man nichts anderes. Aber beim Einkaufen in einem Einkaufszentrum? Besonders schlimme Gedanken bekommt man, wenn einem diese "Düfte" in der Nähe der Frischfleisch-, Wurst- oder Käsetheke erreichen. Menschen, vornehmlich Männer, in weißgemaserten, ehemals schwarzen T-Shirts mit vermutlich noch tropfenden Axeln wabern langsamst, damit jeder was von hat, durch die Gänge. Schneller werden ihre Schritte, der Blick stur geradeaus, bei der Abteilung "Kosmetika und Hygieneartikel". Gerade dort würde es sich lohnen zu verweilen. Nicht nur aufgrund der abmildernden anderen Gerüche. Nein, denn dort gibt es eine der wichtigsten Erfindungen unserer heutigen Zeit: das 96-h-Deo! Ich habe mich schon immer gefragt, für welche Menschen dieses gut sein sollte? Ich kenne keinen einzigen Menschen, der sich 4 Tage lang nicht wäscht. Na gut, vielleicht benutzen diese wandelnden Kloaken solch ein Deo, aber dann können sie nicht rechnen. 96 Stunden sind keine 3 Wochen.
Vielleicht sollte ich allen beim nächsten Einkauf einen Schnupfen wünschen. Oh no! Dann muss man ja durch den Mund atmen. Und diese Vorstellung ist ja noch schlimmer!
So habt euch trotzdem wohl.

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