Mittwoch, 1. Juni 2011

Auto fahren

Wenn man das Glück hat, ich bezeichne es jedenfalls als Glück, am Rande Berlins zu wohnen, dann muss ja auch irgendwo ein Haken sein. Und dieser Haken manifestiert sich im allmorgendlichen zur Arbeit fahren. Und natürlich auch der Rückweg gestaltet sich diesbezüglich sehr aufregend.
Es sind ja beileibe nicht alle Autofahrer, die sich auffällig verhalten.
Besonders fallen einem die besonderen Spezies „Alte Männer mit Hut“ und „Frauen“ auf. Ja, leider auch die Frauen. Tausende Vorurteile existieren diesbezüglich schon. Und ich denke, dass das alles nicht ausgedacht sein kann.
Diese beiden besonderen Gattungen der Menschheit kann man schon irgendwie in einem Atemzug nennen, da sie sich im Fahrstil und Fahrverhalten sehr ähnlich sind, ja vielleicht schon identisch sind.

Da sich mein Tätigkeitsfeld in ganz Berlin befindet, kann ich nicht mal sagen, dass diese besonderen Verkehrsteilnehmer nur in bestimmten Bezirken zu finden sind. Sie trifft man überall und zu jeder Tageszeit an.

Ich weiß nicht, ob alte Männer mit Hut oder Frauen den Verkehr mehr gefährden. Einige Besonderheiten bei diesen Gruppen sind aber festzustellen.

Gerade im Umland und in den äußeren östlichen Stadtbezirken bewegen sich morgens ab 6 Uhr (warum bloß schon um diese Uhrzeit?) schon jene Herren, die ihre blankgewienerten Karossen zum nächsten Einkaufcenter „fahren“, um ja die Sonderangebote der Supermärkte zu ergattern. Hauptsächlich bewegen diese einen Skoda. Wahrscheinlich machten sie in den 60´ern noch auf dem 1000 MB (mit Heckmotor) ihren Führerschein. Irgendjemand sollte diesen Herren mal sagen, dass die heutigen Skoda mittlerweile einen Frontmotor haben. Völlig ängstlich fahren sie mit geschätzten 10 km/h um Kurven, immer mit der Angst lebend, dass der nicht mehr verwendete Heckmotor das ganze Auto ausbrechen lässt. Vorher jedoch fahren sie getreu dem Motto: Bleibe ich 20 km/h unter der angegebenen Höchstgeschwindigkeit, kann ich nichts falsch machen. Dass morgens jedoch 99 Prozent zur Arbeit müssen und der Arbeitsweg bei den meisten Menschen nicht zur Arbeitszeit gehört, interessiert sie überhaupt nicht. Mit stoischer Ruhe, den Blick starr auf die Straße gerichtet, sich mit beiden Händen am Lenkrad festklammernd und Schalten in Zeitlupe fahren Sie ihres Weges. Nichts, aber rein gar nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Nicht mal der überholende Radfahrer. Das ist schon bewundernswert. Beim Anfahren kommt es mir so vor, als wenn in diesen Autos die Schaltwege 50 cm betragen. Da man im Allgemeinen im Alter etwas kleiner wird (außer die männlichen Ohren) und auch die Arme sich wohl verkürzen, sind es schon beträchtliche Wege, die diese Herren beim Schalten zurückzulegen haben. Dies äußert sich dann eben in der Zeit, die man benötigt, den nächst höheren Gang einzulegen. Wenn man dann doch irgendwann mal die 50 erreicht hat (auf 60er Strecke), verharrt man dann auch bei dieser Geschwindigkeit. Klar, wenn man schneller werden würde, würde es im vierten Gang auch zu laut werden. Aber würden sie es auch hören? Wenn sie nicht grade ein Mini-Auto mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h fahren, fahren sie auch noch riesige Schlitten, die auch mit den vorhandenen Brillenstärken nicht mehr überschaubar sind. Wenn dann noch die zänkische Ehefrau im trost- und farblosen Kostüm daneben sitzt, ist alles zu spät.

Hat man diese Herren dann endlich mit Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um ca. 30 km/h und bei einem kurzfristigen Verbrauch von 25  Litern überholt, muss man wieder stark abbremsen.

Das nächste Problem in Form eines Atos´, Clios, Swifts, Yaris´ (oder wie sie alle heißen) steht bzw. kriecht urplötzlich vor einem.
Drinnen sitzt bestimmt eine mittelalterliche Frau, die entweder zum Geburtstag oder beim Bingo ihren Führerschein bekommen hat. Kaum über das Lenkrad schauend, so hinter dasselbe geklemmt, dass nicht mal mehr der Airbag aufgehen könnte, fahren sie ungefähr 20 km vorm Linksabbiegen auf der linken Spur. Etwaige Lücken zum Vordermann von mehreren hundert Metern beeindrucken sie überhaupt nicht. Toll, immer freie Fahrt! Schlimm wird es dann auf einer dreispurigen Fahrbahn, wenn gleich drei Kleinstwagen nebeneinander die Schneckentrophy beginnen. Na ja, Straßenverkehr ist schon besser, als gar keinen Verkehr.

(Nur nebenbei: Ganz schlimm sind auch jüngere Frauen, die zu Hause das Schminken vergessen haben. Da wird noch mal Lipgloss aufgetragen, die Wimpern getuscht, die Haare gebürstet. Männer sind da einfacher. Es wird kein Zusatzgerät benötigt um sich genüsslich und ausgiebig in der Nase zu bohren.)

Alten Männern mit Hut und Frauen ist aber das Verhalten vor und an Ampeln gemeinsam. Sobald ein rotes Licht zu sehen ist, kann auch schon mal hundert Meter vor der Ampel sein, wird rigoros abgebremst und bis zum Haltepunkt ausgerollt. Schaltet die Ampel auf Grün, beginnen die offensichtlich mechanischen Gehirne zu arbeiten. Da war doch noch was! Ah ja. Kupplung treten. Und dann? Ah ja. Gang einlegen. Welchen? Achso, den Ersten. Und dann gaaaanz langsam die Kupplung kommen lassen und Gas geben. Oh! Habe ja noch die Handbremse angezogen.
Alles noch mal auf Anfang und los! (Multitasking bei Frauen ist offensichtlich nur ein von der Emma gestreutes Gerücht.) Ist das alles geschafft, freut sich der alte Mann oder die Frau, dass der ständig fuchtelnde und meckernde Hintermann die Grünphase nicht geschafft hat und nun noch mal 5 Minuten warten muss. Wenigstens freut sich einer!

Da ist man schon das erste Mal völlig gestresst und muss sich mit diversen Atem- und Yogaübungen wieder normalisieren.

Das ganze wiederholt sich auf dem Nachhauseweg. Offensichtlich haben diese Verkehrsteilnehmer keine schönen Wohnungen oder angenehme Mitbewohner, da sie es sonst eiliger hätten.

Wann werden endlich Mutti- und Rentnerstraßen eingerichtet, welche sich in großem Bogen um die Städte schlängeln? Der behindernde Verkehr wäre aus den Städten raus, es gäbe weniger Unfälle (ich weiß wovon ich rede, ich sehe die Kleinstwagen nach einem Unfall die schon zu engen Straßen weiter verengend), viele wären früher auf der Arbeit und aufgrund des verminderten frühmorgendlichen Stresses auch produktiver.

Wenn man sich mal vorgenommen hat, alles zu akzeptieren, tolerant zu sein, dann kommen die Fahrradfahrer und Zwiebacksägenbesitzer und wollen auch noch am Straßenverkehr teilnehmen. Aber das ist ein ganz anderes Thema!
So long.

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